Portrait

1993 initiierte der Gitarrenlehrer Günter Sirsch, Leiter und Inhaber der privaten Musikschule „Musikzentrum Penzberg“ bzw. „Musikzentrum Murnau“ die „Murnauer Gitarrenkonzerte“. Eine Konzertreihe, die sich im weitesten Sinn dem Instrument Gitarre widmete.

Nachwuchskünstler waren ebenso zu Gast wie renommierte Gitarrengrößen wie „Sigi Schwab“, „Peter Horton“ oder auch „Ralf Illenberger“. Aber auch Gitarristen, die die Grenzen zwischen Klassik und Moderne verwischen, wie z.B. Peter Meier oder Michael Langer.

Bis 1996 fanden die Konzerte nur in Murnau statt. Nachdem im Marktort aber immer mehr Konzertveranstalter auf den Plan traten und die Besucherzahl dadurch bei den „Murnauer Gitarrenkonzerten“ soweit zurück ging, dass eine Kostendeckung nicht mehr möglich war, wurde die Reihe ab 1998 in „Oberland Konzerte“ umbenannt. Seitdem finden die Konzerte bevorzugt im Barocksaal des Klosters Benediktbeuern statt, aber auch in der Stadthalle Penzberg oder im Kulturzentrum Murnau (früher Kurgästehaus).

Pro Jahr werden derzeit zwei (max. drei) Konzerte durchgeführt.

Der Exot im Oberland
Gitarrenkonzerte: Veranstalter Günter Sirsch im Portrait

Die dicken Kuverts kommen aus Belgien, Frankreich und ganz Deutschland, und sie stammen von lauter hoffnungsvollen und leidlich unbekannten Gitarristen. Seitdem der Penzberger Günter Sirsch 1993 seine nunmehr Oberland Konzerte genannte Musikreihe gegründet hat, sind bei ihm an die 100 Bewerbungen angelandet. Solisten, Duos, Trios und größere Ensembles bieten ihre Dienste an, lauter Wettbewerbsgewinner und Förderpreis-Träger. Denn in dieser kleinen Szene spricht sich’s schnell herum, wenn jenseits der hochrangig besetzten Freisinger Gitarrentage und der ganz und gar auf Stars abgestellten Münchner Reihe von Wolf Siegel so etwas wie ein Engagement in Sicht kommt. Sirsch ist trotzdem die falsche Adresse. Der Mann versteht sich nicht als Türsteher des Talentschuppens. Er hat nur auf zwei Anfragen reagiert, darunter die Offerte des inzwischen international renommierten Duos Christian Gruber & Peter Maklar. Denn er setzt fast ausschließlich auf Interpreten, die er „selber kennt, selber gehört hat“. Auf klassische Gitarristen, die zu den Szene-Bekanntheiten gehören, Nonato Luiz oder Frank Hiemenz. Auf anerkannte Grenzgänger zwischen Fingerstyle, Bossa Nova und Tarrega-Schule wie Michael Langer oder Peter Meier. Auf die Heroen des bayerischen Musikkabaretts, die Biermösl Blosn, und den hierzulande wohl bekanntesten Erforscher unerhörter Klangwelten, Sigi Schwab.

„Das Risiko, Entdeckungen zu pushen“, geht der 38jährige nicht ein, offenbar aus gutem Grund. Schließlich bewegt er sich gerade in der Klassik auf einem von Schalllöchern perforierten Boden: „Es ist schwieriger geworden für Veranstalter wie für Interpreten, vor allem für Musiker, die noch keinen Namen haben. Da kommen dann vielleicht bloß 50, 60 Leute, bei Schwab aber sind es 500, obwohl auch er nicht im direkten Sinne populär ist. Aber er hat eben einen Namen“. Gerade weil die Bereitschaft des Publikums, „ein kleines Risiko einzugehen, sich auf was einzulassen“, rapide abgenommen habe, sei es problematisch geworden, „Unbekanntes zu präsentieren“. Schließlich legt es auch der Ein-Mann-Betrieb Sirsch nicht darauf an, möglichst gründlich pleite zu gehen. „Unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann man das eh nicht sehen“, sagt der Veranstalter; der in den vergangenen Jahren „nicht unbeträchtlichen Verlust“ gemacht und ’96/’97 eine Zwangspause eingelegt hat. Das sei eben ein „Steckenpferd“.

Der Mann, der das Notenfähnlein hochhält, weiß nämlich selbst mit dem wohl schwierigsten Konzertinstrument umzugehen: Sirsch, geboren in Neuburg an der Donau, aufgewachsen in Penzberg, wohnhaft in Murnau, hat Anfang der 80er klassische Gitarre studiert. Er war Privatschüler bei Anatol Regnier am Münchner Konservatorium, dem „Chef“, wie ihn die Seinen nennen. Seit 1986 unterrichtet Sirsch in Murnau und Penzberg. Solo tritt er nicht auf; Bühnenerfahrung sammelte er einst allenfalls bei einer Band, die sich „Fauna‘ nannte und Genesis nacheiferte. Zum Konzertveranstalter, der es sich vorgenommen hat, E- und U-Musik zu beackern und „die Grenzen zu verwischen“, ist der Anti-Purist gleichsam auf der Autobahn geworden. Der Lehrer hatte vormals für seine Schüler Fahrten zu Wolf Siegels Gitarrenabenden in der Musikhochschule organisiert. Als die Reiselust abnahm und er seinen Bus nicht mehr voll bekam, verfiel er auf die Idee, an Ort und Stelle eine eigene Reihe aufzubauen. Sirsch startete in Murnau durch. Er holte fast jedes Jahr Kassenschlager wie Peter Horton & Slava Kantcheff und Sigi Schwab. Er zahlte gehörig drauf, als das Duo Tedesco und Elmar Gunsch vor gerade mal 70 Leuten antraten. Er engagierte den“ Chef“, der inzwischen ins Lager der Literaten gewechselt ist. Und er hat vermutlich der Moderne abgeschworen, seitdem der Gitarrist Christian Bergmann „ganz wilde Dinger“ von John Cage und Dusan Bogdanovic vor 37 zahlenden Zuhörern gespielt hat – das schlechtest besuchte der bislang rund 30 Sirsch-Konzerte.

Seit vergangenem Jahr hat Sirsch seinen Kreis weiter gezogen. Er pendelt nun zwischen den Veranstaltungsorten Murnau, Penzberg und Benediktbeuern, und er zählt derweil zu den branchenbekannten Veranstaltern. Zu dem Häuflein aufrechter Exoten also, die ausgezogen sind, ein aus den Katakomben des Konzertbetriebs zirpendes Instrument „bekannter zu machen“.

Was die klassische Gitarre angeht, spielt Günter Sirschs Oberland-Reihe freilich nur in der Mittelklasse mit. Die Gagen der berühmten Interpreten, sagt er, seien „ohne öffentliche Förderung nicht zu bezahlen“, für ihn jedenfalls zu hoch. Trotzdem hätte er natürlich nichts dagegen, Wunschkandidaten wie den Klangzauberer Alvaro Pierri aus Uruguay oder die Gebrüder Assad einfliegen zu lassen, rasende Gitarren-Artisten aus Brasilien. „Aber vorher muss erst mein Minus abgetragen sein.“

GERHARD SUMMER